Years and Years

Years and Years eine realistische Darstellung dessen, was uns blühen könnte.

britische Fernsehserie, Erstausstrahlung auf BBC im Mai 2020

Januar 2021 ZDF NEO

1. Staffel/6 Episoden (60 Min.)

Rezension

Kurzmeinung

Die Handlung ist treffend nah an der aktuellen Realität. Man schaut sich die Serie an, fasziniert und doch voller Sorge, es könnte wahr werden.

Inhalt

Years ans Years“ spielt in dem Zeitraum von 2019 bis 2034. Als Zuschauer begleiten wir die Familie Lyons. Der älteste von vier Geschwistern ist Stephan. Er ist Finanzberater und lebt mit seiner Frau Celeste, eine erfolgreiche Buchhalterin, und den beiden heranwachsenden Töchtern Bethany und Ruby in London. Finanziell steht die Familie gut da. Sorge bereitet den Eltern vor allem ihre älteste Tochter Bethany, deren Wunsch es ist, ihren Körper los zu werden und ihren Geist in eine Cloud hoch zu laden. Für ihre Eltern eine schwierige und schwer zu verstehende Situation.

Edith, die zweitälteste, engagiert sich seit ihrer Jugend für diverse Hilfsorganisationen. Sie ist dauerhaft unterwegs und bewegt sich offensichtlich häufig am Rand der Legalität, um die Welt ein bisschen besser zu machen. Nur selten hört die Familie etwas von Edith.

Daniel der Konservative unter den Geschwistern. Angestellt beim Bauamt der Stadt, ein kleines Haus und eine feste Beziehung mit dem Grundschullehrer Ralph. Alles in allem ein sehr geordnetes Leben.

Die jüngste ist Rosie. Die alleinerziehende Mutter zweier Söhne arbeitet in einer Schulkantine. Finanziell geht es Rosie weit schlechter, als ihren Brüder. Seit ihrer Geburt leidet sie an einer Fehlstellung der Wirbelsäule, sodass sie auf den Rollstuhl angewiesen ist. Trotz alle dem ist sie eine sehr lebensbejahende und fröhliche Frau.

Vor einigen Jahren starb ihre Mutter. Zum Vater ist der Kontakt nach der Scheidung abgebrochen. Seitdem ist Großmutter Muriel der Fels in der Brandung, sie ist es, die die Familie zusammenhält. Dabei hat sie auch in ihrem hohen Alter keine Berührungsängste mit der neue Technik.

Hauptsächlich bestimmen die neuen Medien die allgemeine Familienkommunikation. Jedes Familienmitglied besitzt den Sprachassistenten namens „Senor“, die meisten Gespräche finden via Videochat statt und vor allem Bethany ist in den ersten beiden Folgen meist nur mit einer digitalen Maske zu sehen. Einmal im Jahr, zu Muriels Geburtstag, der ausgerechnet in der kalten Jahreszeit liegt, finden sich alle zu einem Gartenfest zusammen.

Zwischen Muriel und Celeste herrscht ein sehr ambivalentes Verhältnis. Zwei starke Frauen, die sich behaupten wollen. Das führt unweigerlich zu Konflikten.

In der Welt der Lyons wurde der Brexit noch einmal verhindert, dennoch ist die Stimmung im Land politisch sehr aufgeladen. Eine bestimmt Politikerin, die Geschäftsfrau Vivienne Rook, sagt, was sie denkt und nimmt dabei keinerlei Rücksicht auf politische Korrektheit. Das führt zu kontroversen Diskussionen. Im Verlauf der Serie gründet sie ihre Vier-Sterne-Partei und steigt zum politischen Mega Star auf. Das Kalkül hinter ihren Aussagen erahnen nur die wenigstens. Auch Rosie ist fasziniert von der Frau, ganz im Gegensatz zu ihrem Bruder Daniel, der ihre Strategie nur zu gut durchschaut.

2024, genau am Tag von Muriels 92. Geburtstag, kommt es zur Katastrophe. Trump, in seiner zweiten Amtszeit, feuert eine Atombombe auf eine von China künstlich errichtete Insel, von der die USA annehmen, es sei eine Militärbasis. Direkt vor Ort und ihrer Familie live per Videochat zugeschaltet ist Edith. Ein Tag, der alles verändert.

Sogar Daniel wirft das Ereignis aus der Bahn. In seiner Ehe mit Ralph kriselt es schon seit längerem, aber nun fasst er endlich den Mut, sich einzugestehen, dass er sich in den ukrainischen Flüchtling Victor verliebt hat. Er trennt sich. Doch Victors Asylantrag ist noch nicht genehmigt. Viele Prüfungen liegen vor den beiden und für Daniel wird diese Liebe eine Odyssee mit ungewissem Ausgang.

Edith kehrt überraschend zurück. Fragen nach ihrer Verstrahlung wiegelt sie ab. Celeste verliert ihren Job, weil sie von künstlich Intelligenz ersetzt wird. Nun sind sie gezwungen ihr Londoner Haus zu verkaufen. Als kurz darauf die Finanzmärkte zusammenbrechen, steht die Familie vor dem Scherben ihrer Existenz. Notgedrungen ziehen sie zu Muriel, denn sie besitzt noch das große Haus bei Manchester. Stephan ist gezwungen mehrere Jobs, die kaum seinen Qualifikationen entsprechen, anzunehmen. Von nun an arbeitet er sowohl als Kurierfahrer als auch als Pizzalieferant.

Bethany hat sich indessen ihr Smartphone in die Hand implementieren lassen. Ihre Eltern versuchen Verständnis aufzubringen, stehen den Wünschen ihrer Tochter jedoch hilflos gegenüber. Bethany schafft es im Verlauf der Serie sich durch eine vom Staat finanzierte OP ein Hirn-Implantat einpflanzen zu lassen, das sie direkt mit dem World Wide Web verbindet. Sie ist nun Teil des Internets ohne dafür ein Gerät nutzen zu müssen. Eine Möglichkeit, die Schattenseiten hat, wie Bethany schmerzvoll erfahren muss.

Sowohl das politische als auch das tatsächliche Klima werden Jahr für Jahr unberechenbarer. Vivienne Rook schafft es mit ihrer Partei zu begeistern und sie holt sich Stück für Stück die uneingeschränkte politische Macht. Auch in den anderen europäischen Ländern und den USA verschärft sich die Lage. Durch monatelangem Dauerregen kommt es zu massenhaften Überschwemmungen in Großbritannien. Zudem treffen Bristol und Leeds schmutzige Bomben.

Die Zahl der Obdachlosen steigt. Zwangseinquartierungen werden vorgenommen. Das Land versinkt im Chaos. Die Kriminalität steigt, Stadtteile werden abgeriegelt. So wie die Wohnsiedlung, in der Rosie lebt. Politische Gefangene, Menschen ohne britischen Pass, werden in Lager gepfercht. Die Situation spitzt sich zu. Die Frage ist nur, wie lange sehen die Menschen dem staatlichen Treiben tatenlos zu?

Meinung

Die britische Familie Lyon spielt die zentrale Rolle in der Serie. Sie steht stellvertretend für die Gesellschaft. Daraus resultieren die vielschichtigen Charaktere in der Familie. Der konservative Homosexuelle, der für seine große Liebe alles riskiert, die Weltverbesserin, die Selbstbewusste und Macherin, der verantwortungsbewusste Finanzexperte und die alleinerziehende Mutter mit einer körperlichen Beeinträchtigung.

Hinzu kommt ein Teenager, mit Problemen von Teenagern, die Bethany allerdings durch moderne Technologien lösen möchte. Natürlich nicht zu vergessen, Muriel als Verbindung zwischen der analogen und der digitalen Welt, die in der vorletzten Folge einen entscheidende Erkenntnis mit ihrer Familie teilt und dadurch bei jedem Mitglied einen wichtigen Denkprozess anstößt.

Emma Thompson verkörpert die Rolle der skrupellosen, manipulierenden Geschäftsfrau Vivienne Rook fabelhaft. Bei ihr sitzt jeder Blick und jede Geste. Diese Figur polarisiert gleich von Beginn an mit ihren Aussagen. Sie stößt Vordergründig auf Ablehnung. Obwohl die Empörung über ihre Äußerungen immens ist, hat doch ein großer Teil der Bevölkerung Respekt davor, dass sie sich traut zu sagen, was sie denkt. Eine Eigenschaft, die bei etablierten Politikern kaum zu erwarten ist. Deren Aussagen sind immer gut durchdacht und politisch korrekt.

Genau an dem Punkt setzt Vivienne Rook an und gewinnt auf diese Art ihre Wähler. Und es werden mehr Wähler als zunächst angenommen. Plötzlich ist ihre Vier-Sterne-Partei das Zünglein an der Waage und eh die gebeutelte Bevölkerung versteht, was passiert, übernimmt Vivienne Rook die Regierung.

Dieses Szenario kann dem Zuschauer schon ein flaues Gefühl im Magen bescheren, denn es gibt diese vermeintlich Konservativen, die in die Kamera lächeln und das sagen, was andere sich nicht mehr zu sagen trauen. Als Politiker getarnte Populisten, streuen aktuell immer wieder Zweifel an der Aufrichtigkeit der anderen, demokratischen Parteien. Welche Auswirkungen so eine Vorgehensweise haben kann, wurde uns erst vor wenigen Wochen mit der Stürmung des Capitols deutlich vor Augen geführt. Ganz präzise spielt die Serie auf diese Methoden an. 2019 wurde „Years and Years“ produziert und ihr Erfinder Russel T Davies (u.a. Dr. Who) trug diese Serienidee nach eigener Aussage schon seit zwanzig Jahren mit sich herum.

Mit größter Spannung habe ich Folge um Folge angesehen, wie die Zivilisation, wie wir sie kennen, zu bröckeln beginnt. Wie sich Europa verändert und die Erkenntnis, dass es kaum Unterschiede zwischen rechts- oder linksextrem oder Populisten gibt. Zu den politischen Umstürzen und Unruhen gesellt sich noch die Klimakatastrophe. Anhaltender Regen über Wochen und Monaten vertreibt Menschen aus ihren Häusern, weil Städte, Dörfer den Wassermassen nicht standhalten können. Eine Welle von Wohnungslosen schwappt über das Land. Ihre Unterbringung muss organisiert werden. Die Finanzkrise hat ebenfalls die Armut erhöht, was wiederum zu mehr Kriminalität führt.

Ich habe Years and Years in der ZDF Mediathek und innerhalb kurzer Zeit angesehen. Mich hat die Geschichte total gepackt, weil sie außergewöhnlich nah an der aktuellen Realität ist. Bekannte Muster aus den letzten Jahren, vor allem der Trump Jahre, waren deutlich zu erkennen. Und es ist kein gutes Gefühl zu sehen, in welch ein Chaos sich eine Gesellschaft selbst stürzen kann, wenn sie nur gleichgültig zusieht, weil man denkt, so schlimm wird es schon nicht werden.

Fazit

Als Zuschauer kam mir diese Sciencefiction Serie erschreckend real vor. Die Botschaft ist eindeutig; jeder trägt seinen Teil der Verantwortung, sowohl an politischen als an gesellschaftlichen Entwicklungen. Jeder sollte genau wissen, in welcher Welt und in welcher Gesellschaft er leben will und es keinesfalls den Mächtigen oder den Populisten mit ihren leeren Versprechungen überlassen.

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