Mutters Lüge

In Mutters Lüge erzählt Marta von ihrer Kindheit im kommunistischen Polen und ihrem späteren Leben in Deutschland und der Schweiz.
Monika Hürlimann

erschienen im Literaricum Buchverlag, 2021

Rezension

Kurzmeinung

„Mutters Lüge“ ist ein autobiografischer Roman, der seine Geschichte mit zu sachlicher Distanziertheit erzählt.

Inhalt

Martas Kindheit in Breslau ist vom kommunistischen Alltag in Polen geprägt. Das Verhältnis zu ihrer Mutter, die augenscheinlich Martas Zwillingsbruder Tomek vorzieht, ist unterkühlt. Martas Mutter ist alleinerziehend und somit wird Marta schon sehr früh selbständig.

1984 reist die kleine Familie illegal nach Deutschland aus. Marta ist verwundert, dass ihre Mutter die neue Sprache fließend beherrscht. Mit Ehrgeiz und Willen, lernt auch Marta schnell deutsch, findet sich in dem neuen Land zurecht, macht Abitur und studiert Medizin. Nach dem Studium baut sie sich ein Leben in der Schweiz, fernab ihrer Familie, auf.

Erst nach dem Tod ihrer Mutter erfährt sie von deren Lebenslüge, die Marta im Innersten erschüttert.

Handlung

Marta wächst mit ihrem Zwillingsbruder Tomek im kommunistischen Polen auf. Ihre alleinerziehende Mutter arbeitet viel, deshalb sind die Kinder oftmals auf sich gestellt. Als Teenager kommt für sie ein plötzlicher Bruch, der ihr Leben entscheidend verändert. Ihre Mutter beschließt mit ihren Kindern Polen illegal zu verlassen. Die Flucht gelingt und Kiel wird die neue Heimat der Familie. Verwundert stellt Marta fest, dass ihre Mutter eine Großtante dort hat und auch fließend deutsch spricht.

Zu ihrer Mutter hat Marta zeitlebens ein distanziertes Verhältnis, anders als ihr Bruder Tomek, der der Liebling ihrer Mutter ist. Martas Ehrgeiz kommt ihr in der neuen Situation zu Gute, schnell lernt sie deutsch, macht ihr Abitur und erfüllt sich ihren Traum vom Medizinstudium, das sie nach Berlin führt. Von nun an baut sich Marta ihr eigenes Leben, fernab ihrer Familie, auf.

Nach dem Studium zieht sie in die Schweiz und spezialisiert sich auf die Fachrichtung Psychiatrie. Sie lernt ihren ersten Mann kennen, lässt sich scheiden, heiratet ein zweites Mal. Ihr Bruder Tomek lebt weiter in Kiel und kümmert sich um die Mutter. Ausgelöst durch seinen Drogenkonsum, bekommt Tomek psychische Probleme und Marta muss ihn in die Klinik einweisen. Auch ihre Mutter wird immer gebrechlicher und bekommt im Laufe der Jahre starkes Asthma. In schwierigen Situationen fühlt sich Marta für ihre Familie verantwortlich und kümmert sich.

Nach dem Tod ihrer Mutter erfährt Marta Ungeheuerliches. Ihre Mutter hat ihre Vita gefälscht, sowohl ihren Namen, ihr Geburtsdatum als auch ihre Familiengeschichte stimmen nicht. Nachdem Marta den Schock überwunden hat, stellt sie Nachforschungen an, die bestätigen, dass ihre Mutter nicht diejenige war, für die sie sich ausgegeben hat. Diese Erkenntnis erschüttert Marta tief.

Meinung

Die Geschichte wird aus Martas Perspektive und meist in chronologischer Abfolge erzählt. Es beginnt mit der Beschreibung ihrer Kindheit im kommunistischen Polen, in der Stadt Breslau, in einer heruntergekommenen Wohnung mit Schimmel an den Wänden und Ratten im Treppenhaus. Und später schildert sie ihren Neuanfang in Deutschland und ihr späteres Leben in der Schweiz.

Der Beginn des Buches ist sehr vielversprechend, denn als Leser:in erfährt man von den Lebensumständen in Polen in den 1970er/80er Jahren. Ebenso aufschlussreich gestaltet sich der Abschnitt, in dem die kleine Familie in Deutschland ankommt und sich ein neues Leben aufbauen muss. Allen Schwierigkeiten zum Trotz beißt Marta sich durch, um ihr Ziel, das Medizinstudium, zu erreichen.

Doch ab dem Punkt, als Marta ihr Medizinstudium beginnt, besteht die Erzählung nur noch aus einer Aneinanderreihung von Eckdaten Martas Werdegang betreffend. Anstatt den Figuren Tiefe zu verleihen, sich eingehend mit dem Mutter-Tochter-Konflikt auseinanderzusetzen, begnügt sich die Geschichte mit unwesentlichen Geschehnissen in Martas Leben, welche die Handlung in keiner Weise voranbringen. Seite um Seite wartete ich auf die angekündigte Lebenslüge, darauf, dass die Geschichte wieder Fahrt aufnimmt, aber nichts als wandern, Fahrrad fahren und Schweizer Berge, gespickt mit ein bisschen Krankenhausalltag. Auch die Dialoge wirken oft hölzern und nichtssagend.

Erst auf den letzten Seite kommt das Hauptthema endlich zum Vorschein, leider sehr unausgegoren und schwer nachvollziehbar. Wer als Leser:in an dieser Stelle hofft, von der Geschichte noch in den Bann gezogen zu werden, wird enttäuscht.

Der zu Beginn entstehende, durchaus gelungene Spannungsbogen, verliert sich bedauerlicherweise im Verlauf der Geschichte in Belanglosigkeiten. Mich konnte die Erzählung nicht erreichen, zu sachlich und nüchtern ist der Ton des Romans, sodass es mir unmöglich war eine emotionale Verbindung zu den Charakteren aufzubauen. Gerade die Hauptfigur, Marta, blieb distanziert, teilweise empfand ich sie sogar als sehr oberflächlich. Ebenso erging es mir mit dem bedeutsamen Mutter-Tochter-Konflikt, der angedeutet, jedoch nicht auserzählt wird. Es fehlt die literarische Auseinandersetzungen mit den Charakteren und dem Thema an sich. Das Problem des Romans liegt meiner Ansicht nach darin, dass sich das Buch, das auf wahren Begebenheiten beruht, nicht entscheiden kann, ob es ein fiktiver Roman oder ein autobiografisches Sachbuch sein will.

Fazit

Mich konnte der Roman nur bedingt überzeugen. Aus meiner Sicht verschenkt das Buch sein Potential an eine zu nüchterne, emotionslose Erzählweise und das Schwanken zwischen Fiktion und zu viel Realität. Der Roman besteht vor allem aus Fakten, dabei taucht das eigentliche Thema nur als Randnotiz auf.

Ich bedanke mich bei der Autorin Monika Hürlimann für das Rezensionsexemplar.

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