Liebes Arschloch

Virginie Despentes
aus dem Französischen von Ina Kronenberger und Tatjana Michaelis
Verlag Kiepenheuer & Witsch, 2023
Rezension
Kurzmeinung
Der Roman „Liebes Arschloch“ behandelt aktuelle Themen, von #metoo bis zur Pandemie. Ein E-Mail Schriftwechsel, der sich häufig zäh in die Länge zieht.
Inhalt
Rebecca und Oscar kennen sich von früher, wuchsen im selben heruntergekommenen Viertel auf. Nun wohnen beide in Paris. Seit Jahrzehnten ist Rebecca eine bekannte Schauspielerin und Oscar ist mittlerweile ein Bestsellerautor.
Oscars unverschämter Kommentar unter einem Post der Schauspielerin gibt den Anstoß zum Beginn eines Briefwechsels per E-Mail.
Beide befinden sich in einer Lebenskrise. Rebecca ist über fünfzig und die guten Rollenangebote werden rar. Oscar wird öffentlich sexuellen Belästigung vorgeworfen. Im Zuge der #metoo Bewegung schlagen diese Anschuldigungen hohe Wellen.
In ihren Emails schreiben über ihr Leben, ihre Beziehungen und vom Drogenkonsum. Ebenso tauschen sie sich über Feminismus, Social Media und Migranten aus, ohne sich je zu treffen. Und dann beginnt die Corona Pandemie.
Handlung
Oscar steckt in einer Lebenskrise. Zoe, eine ehemalige Verlagsmitarbeiterin, veröffentlicht im Internet, dass er sie sexuell belästigt und bedrängt hat. Dabei war er doch nur in sie verliebt. Nach den ersten großen Shitstorm dämmert ihm, dass vielleicht etwas dran ist, an Zoes Vorwürfen. Seit Jahrzehnten nimmt er fast täglich Drogen, da kann schon mal etwas durcheinander geraten. Er entschließt sich einen Entzug zu machen.
Rebecca bekommt als Schauspielerin über fünfzig nur noch wenige Rollenangebote, und die die sie bekommt, möchte sie am liebsten ablehnen, was sie sich jedoch finanziell nicht leisten kann. Rebecca und Oscar kennen sich aus Jugendtagen, damals war sie mit Oscars älteren Schwester befreundet. Beide kommen aus einfachen Verhältnissen.
Durch einen miesen Kommentar von Oscar unter einem Internetpost von Rebecca, beginnen die zwei eine Schriftwechsel per E-Mail. Oscar erzählt von den Vorwürfen, die ihn nicht zur Ruhe kommen lassen, Rebecca spricht über ihre zurückliegende Schauspielkarriere, ihre Affären und über den Wandel im Feminismus.
Inspiriert von Oscars Entzug beginnt auch Rebecca zu den Treffen derer zu gehen, die davon loskommen wollen. Auch von ihren Erfahrungen und Rückfallgelüsten erzählen sie sich. Als die Corona Pandemie beginnt, ist auch das ein Thema. Es entwickelt sich ein freundschaftlicher Austausch, ohne das die Zwei sich treffen.
Meinung
Der Roman erzählt keine klassische Geschichte, sondern ist als Schriftwechsel per E-Mail verfasst. Zwischendurch kommt allerdings auch Zoe, eine junge, radikal feministische Frau, zu Wort, die Vorwürfe gegenüber Oscar erhebt.
Es beginnt ziemlich intensiv, die Figuren werfen sich einiges an den Kopf, doch dann bekommen ihre E-Mails eine gewisse Routine. Nach dem wirklich guten Beginn, folgen Passagen, die sich ziehen wie Kaugummi, in den nichts relevantes geschieht. Es ist eine Art Dialog zweier Menschen, die allem Anschein nach mit dem Wandel des Zeitgeistes überfordert sind, deren vorrangigsten Themen sie selbst und Drogen sind. Dieses dauerhafte Gerede über Drogen ging mir irgendwann echt auf die Nerven. Natürlich spielen die Drogen vor allem bei Oscars Verhalten eine große Rolle, denn je länger er clean ist, desto klarer sieht er die Dinge, die falsch gelaufen sind. Trotzdem nimmt es meiner Ansicht nach zu viel Raum ein.
Ebenso seltsam ist die #metoo Geschichte von Zoe, eine Figur, bei der mir die Einordnung schwer fällt. Oscars Verhalten ihr gegenüber war nicht in Ordnung, aber dennoch wirkt ihre Geschichte im Vergleich zu den anderen Dingen, die durch #metoo ans Licht gekommen sind, sehr abgeschwächt. Aus meiner Sicht wird dieses Thema im Roman überaus vorsichtig behandelt. Im Gesamtkontext wirkt es auf mich, als ob diese Bewegung zwar okay ist, aber nun ist auch langsam genug. Mir fehlt die Ernsthaftigkeit bei dieser Thematik.
In erster Linie suhlen sich die zwei Figuren im Selbstmitleid. Zwischendurch kommt dann wieder eine fesselnde Passage, die wirklich auf den Punkt ist. Davon hätte es gerne mehr geben können. Alles in allem ist der Roman nicht das Highlight, das ich erwartet hatte. Das Kommunikationsmittel E-Mail ist ebenso wie die Charaktere aus dem letzten Jahrtausend und das merkt man leider auch bei ihren Ansichten sowie in ihrem Handeln.
Fazit
Gut geschrieben, leider konnte mich der Roman mit seinem Anspruch auf „modern und streitbar“ nicht überzeugen.
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