Kinder des Aufbruchs

KInder des Aufbruchs erzählt das Leben in dem geteilten Berlin in den 60er Jahren
Claire Winter

erschienen im Diana Verlag, 2022

Rezension

Kurzmeinung

„Kinder des Aufbruchs“ erzählt Zeitgeschichte sehr gekonnt in eine packende, fiktive Erzählung eingebunden. Ein Leseerlebnis.

Inhalt

Es ist die Zeit der Studentenunruhen Ende der 60er Jahre. Die Zwillingsschwestern Alice und Emma wohnen beide mit ihren Familien in West-Berlin der Stadt. Alice wuchs in der DDR auf, da sie im Krieg von ihrer Familie getrennt wurde. Erst vor wenigen Jahren haben sich die Schwestern wiedergefunden. Am Abend des Mauerbaus gelang Alice soeben noch die Flucht in den Westen.

Nun scheint sie die Vergangenheit wieder einzuholen. Auf einer Studentendemo gegen den Scharbesuch, die Alice als Journalistin beobachtet, trifft sie einen ehemaligen Freund aus Ost-Berlin wieder. Kurze Zeit darauf begegnet Alice der Sängerin Irma Assmann, ihrer einst besten Freundin aus dem Kinderheim, die Alice vor Jahren an die Stasi verraten hat.

Alice glaubt nicht an Zufälle und ihr Misstrauen ist durchaus berechtigt, nur anders, als es auf den ersten Blick scheint.

Emma lernt den elfjährigen Luca aus dem Kinderheim kennen und freundet sich mit ihm an. Doch irgendetwas verschweigt Luca, Emma spürt seine Angst. Als der Junge sich ihr anvertraut und ihr von dem Mann erzählt, der ihn verfolgt und ständig vorm Heim auftaucht, fragt sich Emma, warum jemand einen elfjährigen verfolgt? Sie ist fest entschlossen zu ergründen, was dahinter steckt.

Handlung

„Kinder des Aufbruchs“ ist die Fortsetzung von „Kinder ihrer Zeit“. Mittlerweile leben Alice und Emma beide in West-Berlin. Emma und Julius sind verheiratet, doch bisher blieb ihr Kinderwunsch unerfüllt. Vor einigen Monaten erlitt Emma eine Fehlgeburt, die sie in eine tiefe Trauer stürzte. Als Emma für ihren väterlichen Freund Major Carter bei einer Kinderheimeröffnung dolmetscht, lernt sie den elfjährigen Luca kennen.

Emma schließt den Jungen schnell ins Herz, obwohl man ihr seitens der Heimleitung zu verstehen gibt, dass er ein hoffnungsloser Fall ist. Laut seine Lehrer ist Luca faul und er stiehlt, zudem treibt er sich herum. Doch Emma ist sich sicher, dass Luca vor etwas oder jemanden große Angst hat. Sie verbringt Zeit mit ihm, hilft ihm bei den Hausaufgaben und versucht Luca sein Geheimnis zu entlocken.

Während Emmas Trauer haben sie und Julius sich entfremdet. So behält Emma ihre Freundschaft zu Luca fürs Erste für sich. Nach zwanzig Jahren meldet sich eine ehemalige Geliebte von Julius und eröffnet ihm, dass er Vater einer zwanzigjährigen Tochter ist, eine Nachricht, die Julius unvorbereitet trifft, und die er vor Emma geheim hält.

Alice und Max sind mittlerweile ebenfalls verheiratet. Diese Ehe beruht jedoch in erster Linie auf Freundschaft und ihrem Verantwortungsgefühl gegenüber ihrer gemeinsamen Tochter. Jedenfalls reden sich beide das ein. Als Journalistin begleitet Alice mit großem Interesse die Studentenunruhen. Die Demo gegen den Scharbesuch erlebt sie hautnah mit. Dort trifft sie zufällig einen alten Freund aus Ost-Berlin. Fritz wurde von der Stasi verhaftet und saß einige Zeit im Gefängnis, weil Alice der Stasi damals Informationen über ihn zugespielt hat. Er wurde von der BRD freigekauft und lebt nun auch in West-Berlin.

Alice versucht die Begegnung so kurz wie möglich zu halten, weil sie das schlechte Gewissen plagt, doch Fritz sucht den Kontakt zu ihr, weil er seine Schwester aus der DDR herausholen möchte und dabei auf die Unterstützung von Alice hofft. Fritz hat keine Ahnung, dass Alice für seine Verhaftung verantwortlich ist. Aus lauter schlechtem Gewissen lässt Alice sich darauf ein, ohne zu ahnen in welche Gefahr sie sich damit bringt. Denn die Stasi hat sie nicht vergessen.

Auch in Max Anwaltskanzlei taucht jemand aus der Vergangenheit auf. Die Sängerin Irma Assmann, Alice ehemalige beste Freundin, mit der sie zusammen im Kinderheim war. Vor ein paar Jahren war es Irma die Informationen über Alice an die Stasi weitergab.

Zudem wird Max von seinem Jugendfreund Kai, der beim BND arbeitet, gebeten, in seiner Funktion als Anwalt, jemand bestimmten auf die Liste für den Gefangenenaustausch zwischen BRD und DDR zu setzen. Max kann seinem Freund die Bitte nicht abschlagen. Unwissentlich bringt Kai ihn damit in große Gefahr.

Meinung

Wie auch schon im Roman „Kinder ihrer Zeit“ verknüpft die Autorin Claire Winter auf sehr geschickte Weise Zeitgeschehen mit einer fiktiven Geschichte. Behutsam etabliert sie ihre Figuren und deren Entwicklung, bevor sie diese nach und nach zu einer Einheit zusammenführt.

Auch dieses Mal gelingt der Autorin eine packende und bis ins letzte Detail recherchierte Geschichte zu erzählen. Mit diesem Roman lässt sie die Zeit der 68er Bewegung wieder aufleben. Als Leser:in hat man den Eindruck, während der Ereignisse hautnah dabei zu sein. Die Spannung resultiert in erster Linie daraus, dass nichts tatsächlich so ist, wie es auf den ersten Blick scheint und der Knoten löst sich erst am Ende auf. Der Roman fesselt seine Leser also bis zur letzten Seite.

Vor allem wird die Geschichte durch die überzeugenden Charaktere getragen, deren Beweggründe für mich jeder Zeit nachvollziehbar waren. Jedoch sind gerade die vermeintlichen Nebenfiguren nicht leicht zu durchschauen. Deshalb begegnete ich dem ein oder anderen Charakter erst einmal mit Misstrauen und rätselte bis fast zuletzt, welche Figur inwieweit in die Machenschaften der Stasi oder des BND verstrickt ist.

Treffend beleuchtet der Roman das damalige Leben in der geteilten Stadt, in der sich zwei feindliche politische Systeme gegenüber standen, die sich zu übertrumpfen versuchten. Im Zuge dessen geraten auch die „normalen“ Bewohner der Stadt ins Visier. Alles in allem ist es eine spannende Zeit, die in diesem Roman gekonnt, fesselnd und in einem federleichten Schreibstil wieder zum Leben erweckt wird. Ich fühlte mich gut unterhalten und habe nebenher noch einiges dazugelernt.

Fazit

Ein fesselnder Roman, den ich kaum aus der Hand legen konnte. Perfekt für lange Winterabende.

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