Kategorie: Zeitgenössisch
Ich weiß, dass auf der Welt wichtige Dinge passieren und ich mich empören müsste, weil man das Krankenhaus oder die Schule oder die Kultur zerstört. Oder weil Trump 24 Stunden am Tag Scheiße redet, Russland die Homosexuellen einsperrt, China die Krise benutzt, um den Widerstand in Hongkong zu unterdrücken, hier die Migranten am helligten Tag gejagt werden, angeblich sprüht die Polizei Tränengas auf ihre Decken, damit sie sie nicht mehr benutzen können.
Es war die Sorte Sturm, die er persönlich nimmt. Der Wind stieß ihn, der Hagel war für ihn, die Böen brüllten: „Ryckmer Sander!“ Es hilft, wenn man betrunken ist, bevor man sich von einem Sturm mit Namen angesprochen fühlt. Am besten brüllt man dann zurück. Was einem gerade einfällt.
Hartung stand staunend da, dachte daran, wie oft er solche Szenen schon im Fernsehen gesehen hatte, wenn Prominente von Journalisten belagert wurden. Er hätte gedacht, es müsse ein tolles Gefühl sein , so im Mittelpunkt zu stehen, und stellte nun fest, dass es einfach nur furchtbar war. Zumal keiner dieser Reporter wirklich interessiert wirkte. Eher aggressiv, routiniert, fordernd, wie eine Jugendbande, die einem die Brieftasche klauen will.
Was mich dem Leben immer ein bisschen misstrauisch gegenüberstehen lässt: Die Unvorhersehbarkeit, also eigentlich das, was den meisten Leuten so gut gefällt. Sie finden es spannend – ich finde es nur beunruhigend, denn unvorhersehbar ist nicht nur der Überraschungsbesuch der besten Freundin, die wir seit Jahren nicht gesehen haben, unvorhersehbar sind auch all die Enden, die auf uns warten.
Ich verschließe meine Augen davor. Schließe sie fest. Und als es vorüber ist und ich sie endlich wieder öffne, schaut David mich an, mit einem Blick, den ich noch nie an ihm gesehen habe.Er schaut mich an, als wäre er längst nicht mehr da.
Viel später, als die Körbe mit den Birnen in Säcke umgefüllt worden waren, als die Säcke allmählich die ganze Ladefläche des Hängers ausfüllten und Liss den Traktor anließ und Sally bedeutete aufzusteigen, rief sie ihr, ohne ihren Blick zu suchen, ein „Danke“ über das Geräusch des langsam anlaufenden Diesels zu.
[…] dachte ich, ich hätte ein Plateau erreicht, welches das Erwachsensein war – und ich nahm an, dass ab nun alles ungefähr vierzig Jahre lang auf derselben Ebene weitergehen würde. Ich würde tolle Arbeit leisten und interessante Erfahrungen machen – und dann ziemlich ereignislos zerfallen und sterben. Aber so war es nicht. Ich war nicht auf einem Plateau. Ich war auf dem Weg nach unten, stolpernd, taumelnd und brennend. Mein ganzes Wesen, meine Persönlichkeit, mein Ich, oder wo auch immer mein Selbst wohnt, von mir aus auch meine Seele, wurde in einem riesigen eisernen Kessel ausgekocht wie eine Karotte, die ihren Geschmack verliert.
Er musste jetzt Barbara sein, für sich selbst und für Barbara. Vor allem musste er aufpassen, dass sie sich nicht zu Tode hungerte.
Als wir das Haus der Herrmanns verlassen hatten, meinte sie dann aber: „Sid, ich lasse jetzt nicht locker. Ich will das rausbekommen. Alles.“ Ich sah sie an und grinste. „Wenn du jetzt etwas anderes gesagt hättest, wäre ich enttäuscht gewesen.“
Dort sitzt Milan und erblickt mich, noch ehe ich hinter einer Plastikpalme verschwinden kann. Die Enge des Schiffs schubst uns aufeinander. Wir sitzen nebeneinander wie zwei erschöpfte Gladiatoren.